Jede Seite zwei Mal einsprühen, das sollte fürs Erste reichen. Ordentlich an der frischen Luft trocknen lassen und dann kann ich, laut Gebrauchsanweisung, alles mit einem nassen Schwamm abwischen. Na mal schauen, ob das was bringt. Was sich anhört wie eine Anleitung zur Fleckenentfernung, ist es auch. Die Feuchtigkeit der letzten Wochen sitzt tief im Auto verankert und lässt sich kaum auftrocknen. Die Tage sind zu kurz und zu kühl um einen Effekt auf die, von der Nacht, nass gewordenen Verkleidungen zu haben. Auf der einen Seite transpirieren vier Lebewesen über dreizehn Stunden Dunkelheit einiges an Wasserdampf aus, wohingegen sich auf der anderen Seite der feine Regen und Nebel durch die dreissig Jahre alten Dichtungen schön gemütlich ins Wageninnere drückt. Die Seitenverkleidungen, besonders die, der Heckscheibe, nehmen alles brav wie ein Schwamm auf und speichern es in den Hartfaserplatten ab. Das Resultat ist unvermeidlich. Schimmel.
Ich sprühe auch die zweite Seite ordentlich mit dem Schimmelentferner ein, natürlich nur an der frischen Luft, mit Handschuhe an den den Händen, und lasse alles ordentlich einwirken. In der Zwischenzeit krame ich unseren kleinen, handlichen, zwölf Volt Staubsauger unter der Bank raus und sauge den Teppichboden der Fahrerkabine. Nicht, dass es das erste Mal ist, dass wir das Auto saugen aber als ich all unser Zeug von einer Seite zur anderen räume, um genug Platz zu haben, könnte ich zu dem Entschluss kommen es wäre das erste Mal. Der selbstgelegte, schwarze Teppich zu meinen Füßen nimmt den Dreck auf und gibt ihn nur ungern wieder ab. Die Bürste des Staubsaugers muss tief hinein um auch an den festsitzenden Schmutz ranzukommen. Zwischenzeitlich fällt mir ein, dass es vielleicht eine Idee wäre, Kinder diese Arbeit machen zu lassen als Beispiel wie man richtig Zähne putzt. Ich glaube, ich werde das mal mit Leon besprechen. Nach unzähligen Mal links und rechts, auf und ab, vor und zurück bekommt der Teppich seine schwarzen Farbe, wenn man das so sagen kann, wieder zurück. Auch wenn sich er sich an dem einen und anderen Ende langsam auflöst. Mister Miyagi wäre stolz auf mich.
Ich bin sichtlich erleichtert, Finn hingegen genervt weil er die Musik nicht hört, Mala leicht verschreckt vom monotonen Staubsaugergeräusch und Babsi, hmmm… na ja Babsi macht die Fotos und kümmert sich um alle, die genervt sind. Ich schalte den Staubsauger ab, leere ihn aus und räume ihn weg. Das reicht für die nächsten Tage, denke ich mir, obwohl ich genau weiß, dass es sich wohl eher um Wochen handeln wird. Jetzt kann ich mich wieder dem wahren Problem zuwenden. Die super tolle „Schimmel“-Verkleidung. Es riecht extrem stark nach Chlor und ich bin mir nicht sicher, ob das, was ich tue Sinn macht aber es kann ja eigentlich nicht schlimmer werden. Mit einem leicht nassen Schwamm den Schimmel wegrubeln, heißt es, das sollte es dann gewesen sein. Die Faserplatte wirkt ausgeblichen und verletzt aber das Bild, das sich mir bietet ist ein freudiges. Der typisch schwarz, grüne Flaum ist verschwunden und kurz drauf verflüchtigt sich auch das schlechte Gefühl in mir drinnen. Es ist schon halb sechs und bald geht die Sonne unter. Unseren neunhundert Watt Heizlüfter habe ich umfunktioniert zur Enfeuchtungsmaschine und er arbeitet unermüdlich daran alles in den nächsten sechzig Minuten trocken zu legen.
Die Sonne steht bereits knapp über dem Horizont und ich genieße die letzten wärmenden Strahlen, die sich trauen zwischen den Wolken durch zu scheinen. Ich sitze im kurzen Leiberl, mit einem kühlen Estrella Galicia Cerveza vor unserem Bulli und schreibe diesen Beitrag. Seit den Morgenstunden hat es nun nicht mehr geregnet und die Wolken sind, auf unserem Weg von der Nordküste Richtung Santiago de Compostela, kontinuierlich weniger geworden. Laut Handyapp wird sich die Wettersituation jedoch in der nächste Woche nicht groß ändern. Wolkig mit Aussicht auf Regen. Ja der Regen wird kommen und gehen doch wir halten dagegen so lange unser Gemüht mitspielt. Ändern können wir es nun mal nicht also werden wir es aushalten, werden uns anpassen und uns gut zureden, Mut machen. Morgen steht Sightseeing am Plan. Ich bin schon gespannt und möchte erfahren warum so viele Menschen hierher pilgern, sich einen Weg antun, der so lang und beschwerlich ist.
Der Heizlüfter hat es geschafft. Er darf jetzt entspannt durchatmen bevor es in die Nachtschicht geht. Pünktlich um halb acht, zu Finns Schlafenszeit ist die Ordnung wieder hergestellt. Ich habe alles in umgedrehter Reihenfolge zusammengebaut als ich es vier Stunden zuvor zerlegt hatte. Die Schiebetür läuft das letzte Mal für heute zu und es kehrt Ruhe, in unseren Bulli, ein. Die Kinder gehen schlafen, Finn ins Bett, Mala darunter, und Babsi und ich sitzen wie so viele Abende, im letzten halben Jahr, auf den beiden, zueinander gedrehten Sitzen und lassen den Tag Revue passieren.