Morgenrunde

Der Morgennebel hält sich dicht und flach über den Feldern. Die Sonne scheint nicht rascher aufsteigen zu wollen als es uns aus dem Bett treibt. Und trotzdem drängt mich etwas aufzustehen, die Tür zu öffnen und raus zu gehen. Uns, Mala und mich. 

Also spaziere ich mit Mala entlang der Loire, unsere tägliche Runde am Morgen, und versuche die ersten Sonnenstrahlen des Tages in mir aufzunehmen und abzuspeichern. Leinenlos flitzt sie dahin, über die leeren Felder, bis sie außer Atem, und sichtlich aufgewärmt, dem Schnuppern erliegt und jeder Fährte folgt, die etwas verheißen könnte. Wie ein Katz-und-Maus-Spiel verfolgen meine Augen Malas Tun bis sie abschweifen in die Ferne. Es tut gut den Blick in die Weite zu richten, hinweg über die Felder und Wege bis zum Ende. Bis dort hin, wo der nächste Wald beginnt und sich eine Wand aus gold, rot, grünen Blätterwerk auftürmt.

Weitläufig und ruhig ist es um diese Uhrzeit. Der Nebel lässt vieles wie weichgezeichnet erscheinen und wenn die Sonne sich durch die Baumkronen hindurch wagt wirkt es, als wolle sie einem etwas ganz besonderes zeigen. Wie ein Scheinwerfer, der den Blick führt und auf das richtet, das er einem zeigen will. Weite, langgezogene Schatten, waagrechte Silhouetten der senkrechten Welt, liegen über den Boden verstreut, reglos da. Nur unsere bewegen sich, als wollten sie spielen, uns fangen, uns nachäffen. Und plötzlich kommt mir Peter Pan in den Kopf. 

 

“All children, except one, grow up.” (Peter Pan – J.M. Barrie)

 

Mein Blick schweift zurück, zurück zu Mala und ihrem Treiben. Noch immer die Nase tief am Boden, reiße ich sie heraus aus ihrer Welt der Gerüche. Mit einem Stock, einem grauen, trockenen Stück Holz, erwedel ich mir ihre Aufmerksamkeit um sie dann laufen zu sehen. Jagen zu sehen. Der gespannte Blick, die erweiterten Pupillen, die plötzlich aufgerissenen Augen lassen sie unruhig hin und her tänzeln. Der Schweif rotiert und nimmt den ganzen Körper mit. Unterbrochen wird die Stille nur durch die Vorfreude, die sich in lautstarken Bellen aus ihrem Körper entfernt bis der Moment gekommen ist. Der Stock fliegt und Mala hinterher. Gleich einem Raketenstart. All, die aufgestaute Energie kommt schlagartig zum Einsatz und jagt dem wehrlosen Ast hinterher um ihn zu erlegen. Zu triumphieren.

Unsere Runde ist für heute fast am Ende. Die Sonne überblickt schon den Großteil der Bäume mühelos und der Campingplatz ist wieder in Sichtweite. In Gedanken an das kommende Frühstück meldet sich der Magen mit einem mürrischen Knurren. Ich versuche es noch zu ignorieren. Gleich ist es geschafft. Jetzt kann der Tag beginnen.