Auszeit vom Regen

Es gefällt ihr nicht aber es muss sein. Wir müssen raus, auch wenn es regnet. Ständig schüttelt sie sich, versucht sich zu trocknen oder irgendwo einen Unterschlupf zu finden. Ich gehe meines Weges. Die Straßen sind leer. Anders habe ich es auch nicht erwartet. Kein Mensch, der halbwegs bei Verstand ist geht bei diesem Sauwetter hinaus. Seit drei Tagen regnet es nun schon. Nicht immerzu aber dennoch lang genug um die Schnauze voll zu haben. Dazu kommen noch die acht Grad Außentemperatur, die mich, bei anhaltenden Nordwind, bis auf die Knochen frösteln lassen. Nur nicht stehen bleiben, wenn nicht unbedingt notwendig. Eine Haube und eine Kapuze wärmen den Kopf und vor der Nässe wird alles geschützt durch eine weiter Kapuze der Regenjacke. Mala, die arme hat nichts, nur ihr Fell, und es fällt ihr sichtlich schwer sich auf die gemeinsame Runde zu konzentrieren. 

Wir gehen Richtung Hafen. Ich möchte mehr/Meer sehen, möchte fotografieren. Von der Entfernung kann man das Meer schon hören. Es schreit aufgebracht und zornig, wie ein kleines Kind, das nicht bekommt, was es will. Es wird lauter, desto näher ich komme und plötzlich erblicke ich es zwischen den Pinien hindurch. Die Wellen schlagen auf die felsigen Klippen. Groß und aufschäumend. Trotzig und unermüdlich. Ich freu mich. Auch wenn es grantelt und knurrt so bringt es mich unweigerlich zu mehr innerer Ruhe. Der Regen tut sein Übriges und verscheucht die Leute von der Straße hinein in ihre Häuser. Meine Jacke ist nass. Ich spüre langsam wie der Hoodie die erste Feuchtigkeit aufnehmen muss und es zieht mir in den Nacken. Äußerlich wirke ich wie ein nasser Hund, wie Mala, die hinter mir her schleicht, doch innerlich fühle ich mich puddelwohl und gewärmt. In gewisser Weise liebe ich diese Regentage.

Enge Gassen mit unzähligen Stufen leiten uns bis an den Strand hinunter, wo wir kurz verharren um die Kraft des Meeres zu spüren. Ein Fischer steht am Pier und wirft seine Rute aus. Die Wellen zerbersten direkt unter ihm aber er steht unbeeindruckt da, macht seine Arbeit und trotzt der Gewalt. Wir gehen weiter Richtung Mole, wo ein kleiner Leuchtturm das Ende markiert. Der Regen wird stärker und meine Jeans wird merklich schwerer. Der Denimstoff saugt das Wasser auf wie eine Küchenrolle und kühlt die Haut, die darunter liegt. Wir sind am Ende angekommen und blicken hinaus auf den endlosen Horizont. Bis ans Ende, wo Himmel und Meer in einander verschwimmen und der Regen einen Vorhang spannt. 

Mala hat genug. Ich auch. Der Regen zwingt uns hinein. Hinein ins Warme, ins Trockene. Mit schnellem Schritt machen wir uns auf den Heimweg. Durch die engen Gassen, mit ihren zahlreichen Stufen, gehts für uns hinauf, wohingegen das Wasser sich seinen Weg nach unten bahnt. Es kommt uns in kleinen Rinnen entgegen und zieht seitlich an uns vorbei. Mala versucht jeden unnötigen Kontakt mit Nässe zu vermeidet und nimmt den Umweg um die Lacken in kauf. Sie gibt mir das Tempo vor und weiß genau wo wir hin gehen, wo wir hin müssen. 

Ich stecke den Schlüssel ins Loch und drehe ihn eine halbe Umdrehung gegen die Uhr. Die Tür springt auf und die Wärme berührt augenblicklich mein kaltes, nasses Gesicht. Finn sitzt nur mit einer Windel bekleidet auf der Couch während Babsi versucht ihm den Pyjama anzuziehen. Er kudert und lacht, will sich in den Polstern verstecken als er mich in der Tür stehen sieht. Nur mit großer Mühe kann Babsi ihn auf dem Sofa halten kurz bevor er Flügel bekommt. Ich zieh mir die Schuhe im Steigenhaus aus und trete ein. Mala folgt mir, setzt sich rechts von mir auf den Boden und wartet darauf abgetrocknet zu werden. Die Tür fällt ins Schloss.

Den zweiten Tag sind wir schon hier in Comillas, in Nordspanien, und haben bereits wieder so viel an Energie gewonnen. Schier unscheinbare Dinge erfüllen uns mit großer Freude. Dinge wie, aufrecht stehen können oder das WC benutzen wie es sich gehört, nämlich in sitzender Position und nicht in einer Standhocke. Den Dreck vor der Tür zu lassen weil man nicht ständig in nasse, dreckige Crocs steigen muss bevor und nachdem man geduscht hat. Der ein oder andere Quadratmeter kommt auch Finn zu Gute und erweitert sein Umfeld entdeckt zu werden. Zu beschwerlich ist das aktuelle Wetter, zu beschwerlich die kleinen Dinge. Darum die Auszeit. Für drei Tage heißt es raus aus den Bus, rein in vier trockene Wände mit Heizung. Und so sitzen wir entspannt auf der Couch, eine Tasse Tee in der Hand, ein Glas Rotwein am Tisch und kümmern uns nur wenig um draußen.